Engel Piccolo in geheimer Mission

Ein Kurzmärchen über die hilfsbereiten Quickborner

Der Weihnachtsmann hatte den kleinen Engel Piccolo rufen lassen. Als die Himmelspforte geöffnet wurde, schmunzelte der bärtige Alte zufrieden und erhob sich aus seinem Wolkenstuhl. „Schließe die Pforte zu, Piccolo. Was ich dir sagen will, ist nicht für neugierige Ohren bestimmt. Kann ich mich darauf verlassen?“

Geheimer Auftrag vom Weihnachtsmann

Der kleine Engel flog einen wunderschönen Bogen und landete vor dem Weihnachtsmann. „Ich kann schweigen, so wie die alten Engel-Damen im Wolkenkuckucksheim.“ „Hör auf zu lästern, Piccolo! Meine Zeit ist kostbar“, ermahnte ihn der Weihnachtsmann mit dröhnender Stimme.

„Verstehe, du bist gestresst . . .“ „Warum übernimmst du die Ausdrücke der Menschen? Ich beobachte mit Sorge diese Unsitte auf der Erde – nicht nur ihre Sprache wird mir fremd, auch die Menschen selber. Sie trachten nach Luxus und seelenloser Technik. Auch unser Herrgott ist besorgt darüber. Deshalb habe ich dich herbestellt. Du bist auserkoren worden, in einer geheimen Mission auf die Erde zu fliegen.“ „I-c-h? Ganz allein?“, erschrak der kleine Engel. „Ist es gefährlich, was ich tun soll?“

„Nein, das würden wir nicht von dir verlangen. Unser Herrgott will wissen, wie es mit der Nächstenliebe unter den Menschen bestellt ist. Deshalb werden in der Vorweihnachtszeit viele Engel ausschwärmen und das Treiben der Menschen beobachten.“ „Gelobt sei der Herr“, jubelte der kleine Engel. „ Am liebsten würde ich nach Quickborn fliegen, weil ich die kleine Stadt schon so gut kenne.“

Der Weihnachtsmann zog eine Pergamentrolle aus seinem Jutesack und überflog die Liste der Städtenamen, bis er lächelnd nickte: „Ja, du kannst Quickborn übernehmen, Piccolo. Einen Moment noch – ich schreibe dir einige Veranstaltungen auf, die du auf jeden Fall besuchen solltest. Aber auch deine eigenen Eindrücke sind wichtig.“

Piccolo war ziemlich erschöpft, als er am nächsten Morgen im dichten Nebel in Quickborn landete. Vor einigen Jahren hatte er einen großen Menschenauflauf vor einem Schuhgeschäft erlebt. Damals hatten Schüler für die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ geworben. Mit großem Erfolg. Nun wollte er wissen, ob es wieder so viele Freiwillige gab, die Schuhkartons mit Geschenken für arme Kinder ablieferten.

Pflegeheimbewohner packen 50 Päckchen

Lange musste er den Eingang beobachten, bis endlich eine Mutter und zwei Kinder mit Päckchen beladen zum Geschäft eilten. Schnell flog Piccolo hinter ihnen her, um bei der Übergabe dabei zu sein. „Toll, dass ihr unsere Aktion wieder unterstützt“, lobte eine Verkäuferin die beiden Geschwister. „Ist denn die Aktion gut gelaufen?“, fragte die Mutter, während sie eine Spende für den Transport der Päckchen auf den Tresen legte. „Insgesamt sind es leider weniger als im vorigen Jahr. Aber die Bewohner eines Pflegeheims haben wieder über fünfzig Päckchen gepackt. Auf unsere Senioren ist Verlass.“ Piccolo blickte in drei enttäuschte Gesichter, obwohl er fand, dass diese Familie alles richtig gemacht hatte.

Der kleine Engel flog weiter zur Marienkirche an der Hauptstraße. Am Nikolaustag würde der Weihnachtsmann hier viele Kinder bescheren, was er besonders gerne tat. Denn der Weihnachtsmarkt war nicht nur ein fröhliches Ereignis – alle Einnahmen wurden für einen guten Zweck gespendet!

Jetzt aber wollte Piccolo das alte Haus auf der anderen Straßenseite besuchen, wo sich viele Leute versammelt hatten. Einige sahen schrecklich arm aus, wie Maria und Josef, als sie eine Bleibe suchten. Auch sie warteten auf Einlass.

Piccolo flog hinüber, um ihren Gesprächen zu lauschen. „Heute sind viele Lebensmittel in der Quickborner Tafel abgeliefert worden, da werden wir bestimmt etwas mehr bekommen als sonst“, freute sich eine Frau, die zwei leere Plastiktüten mitgebracht hatte.

„Wir können froh sein, dass es so viele gute Quickborner gibt“, sagte ein älterer Mann, der seine kalten Hände rieb. „Ab sofort gibt es auch warme Kleidung, habe ich gehört. Für mich ist das die schönste Bescherung.“

Zwei Wochen später entdeckte der kleine Engel einen kleinen Weihnachtsmarkt vor dem Forum der Stadt. „Hallo, trinken Sie einen heißen Punsch mit uns! Mit den Einnahmen unterstützen wir kranke Kinder in Afrika!“, rief ein Verkäufer mit kräftiger Stimme den Menschen zu. Nein, nicht alle blieben stehen. Vielleicht waren sie in Eile, wollten ihren Einkauf schnell nach Hause bringen, dachte Piccolo.

„Quickglüher“ weckt alle Lebensgeister

Trotzdem standen viele Menschen an den Tischen, plauderten miteinander, verzehrten Grillwürste oder Schmalzbrote und lobten ihren Bürgermeister . . . Ja, das ist er! Plötzlich erkannte der kleine Engel den Mann mit der roten Weihnachtsmann-Mütze! An diesem Abend war er etwas übermütig, spielte die Rolle eines Hexenmeisters. „Nur hier bekommen Sie den Quickglüher nach meinem Geheimrezept! Ich wecke alle Lebensgeister!“

Es war spät geworden, als Piccolo sich auf den Rückflug machte. Als er schon über dem kleinen Weihnachtsmarkt schwebte und einen letzten Blick nach unten warf, sah er einen geschmückten Tannenbaum, der von Lichtern angestrahlt wurde. Um Himmelswillen – war das der grüne Riese aus dem Kindergarten Zauberbaum? Piccolo musste das klären und flog zu der Tanne. „Sag mir, bist du unser Freund, der Zauberbaum?“, stotterte der kleine Engel erregt, weil er keine Wunschzettel an den Zweigen erkennen konnte.

Die Tanne schwieg. Und sofort peinigten Piccolo schlimme Gedanken. Sollten die Menschen seinen geliebten Zauberbaum abgesägt und seine Seele getötet haben? Geschwind überflog er den Bahnhof und landete auf der anderen Seite auf dem Außengelände eines Kindergartens. Trotz der Dunkelheit fand er ziemlich schnell die riesige Tanne und rief erleichtert: „Hallo, mein lieber Zauberbaum, schläfst du schon?“

„Papperlapapp – wo treibst du dich herum? Ich habe mir schon Sorgen gemacht“, vernahm er eine vorwurfsvolle Stimme von oben. „Du musst die vielen kleinen Wunschzettel von meinen Zweigen abnehmen und dem Weihnachtsmann bringen, damit die Kinder nicht enttäuscht sind, wenn sie am Montag nachschauen.“

„Gott sei dank, du lebst! Aber ein bisschen Mondschein wäre jetzt sehr hilfreich“, sagte der kleine Engel beim Einsammeln der Zettel. Seine Finger froren schrecklich, aber in seinem Herzen jubelte Freude, denn er hatte in Quickborn viele hilfsbereite Menschen getroffen.

Aus „Quickborner Tageblatt“ – 24. Dezember 2014